Hl. Kyrillos von Jerusalem
Über die Metanie [1]
Quelle:http://www.prodromos-verlag.de/
Das große Übel der Sünde - woher es kommt
1.
Eine schlimme Sache ist die Sünde, eine höchst gefährliche Krankheit
der Seele die Widersetzlichkeit gegen das göttliche Gesetz, schneidet
sie derselben doch den Lebensnerv ab und liefert sie dem ewigen Feuer
aus. Sie ist jedoch ein selbst-gewolltes Übel, ein Sproß der eigenen
Wahl. Dass wir aus eigenem Willen sündigen, sagt irgendwo mit aller
Deutlichkeit der Prophet: "Ich pflanzte dich als fruchtbaren und zur
Gänze wahren Weinstock. Wie hast du dich zu Bitterkeit gewandelt und
bist zum fremden Weinstock geworden?" (Jer 2,21).
Das
Gepflanzte ist gut, die Frucht des eigenen Willens aber schlecht.
Ursache ist nicht Derjenige, Der gepflanzt hat, sondern der Weinstock
selbst, der zum Guten gepflanzt wurde, aber aus eigenem Wollen Frucht
zum Unheil brachte, weshalb er im Feuer verbrannt werden wird. "Gott
machte den Menschen als rechtschaffenes Wesen", wie der Ekklesiast sagt,
"jene aber suchten viele Entschuldigungen" (Koh 7,29). Und der Apostel
sagt: "Sein Geschöpf sind wir, erschaffen zu guten Werken" (Eph 2,10).
Der Schöpfer mithin, Der gut ist, erschuf zu guten Werken, doch das
Geschöpf wandte sich aus eigener Wahl zur Bosheit.
Ein
schlimmes Übel mithin ist, wie schon gesagt, die Sünde, doch nicht ein
unheilbares. Schlimm für den, der daran festhält, doch leicht zu heilen
für den, der sie ablegt kraft der Metanie. Nehmen wir an, jemand hält
Feuersglut in seiner Hand. Solange er die Glutkohle festhält, verbrennt
sie ihn. Doch sobald er sie wegwirft, hört sie auf, ihn zu verbrennen.
Glaubt aber einer, die Sünde verbrenne ihn nicht, so sagt die Heilige
Schrift zu ihm: "Kann denn einer Glutkohle in seinem Busen tragen, ohne
dass seine Kleider verbrennen?" (Spr 6,27). Die Sünde verbrennt in der
Tat den Lebensnerv der Seele, zerbricht die noetischen Knochen des
Geistes und verfinstert des Herzens Licht.
2. Vielleicht
wird nun jemand fragen: "Aber was ist sie denn, die Sünde? Ist sie ein
Lebewesen? Ein Engel? Ein Dämon? Was ist es, das hier wirkt?" Sie ist
nicht ein Feind, o Mensch, der dich von außen bekämpft, sondern ein
böser Sproß, der selbstgewollt aus dir selbst sprießt. Schau in rechter
Weise mit deinen Augen (Spr 4,25), und es wird kein böses Verlangen
aufkommen. Raube kein fremdes Gut, und der Hang zum Raub wird
einschlafen. Denk an das künftige Gericht, und weder Unzucht noch
Ehebruch noch Mord, noch irgendeine andere Übertretung des göttlichen
Gesetzes wird dich übermannen. Doch sobald du Gott vergißt, fängst du
an, Böses zu sinnen und Unrecht zu tun.
Der Teufel eigentlicher Urheber des Bösen
und Widersacher Gottes
und Widersacher Gottes
3. Doch
du bist nicht der einzige Urheber dieser üblen Sache, sondern es gibt
noch einen anderen, höchst bösartigen Anstifter dazu, den Teufel. Dieser
stiftet zwar an, doch jene, die sich nicht überzeugen lassen, vermag er
nicht zu überwältigen. Deshalb sagt der Ekklesiast: "Wenn der Geist
dessen, der Macht erhalten hat, sich erhebt gegen dich, rück nicht weg
von deinem Ort" (Koh 10,4). Verschließ deine Tür und halt ihn fern von
dir, und er wird dir nicht schaden können. Doch wenn du nachlässig die
Erinnerung an die Begierde akzeptierst, wird sie durch die Gedanken
Wurzeln schlagen in dir und deinen Intellekt gefangennehmen und dich
hinabwerfen in einen Graben voller Übel.[2]
Doch
vielleicht wirst du sagen: "Ich bin gläubig, und keine Begierde kann
mich besiegen, selbst wenn ich mich häufig daran erinnere." Du vergißt,
dass eine Wurzel, die beharrlich drängt, sogar Fels zu brechen vermag.
Verweigere dem Samen die Aufnahme, denn er wird dir den Glauben brechen.
Reiß das Übel an der Wurzel aus, bevor es erblüht. Denn wenn du am
Anfang nachlässig bist, besteht die Gefahr, dass du dir danach Axt und
Feuer einhandelst (s. Mt 3,10 / Jer 23,29). Beginnst du zu erkranken an
deinen Augen, heile sie ohne Verzug und warte nicht mit dem Besuch beim
Arzt, bis du vollständig erblindet bist.
4. Urheber
der Sünde mithin und Vater der Übel ist der Teufel. Und dies hat der
Herr Selbst gesagt, nicht ich, denn " von Anfang an sündigt der Teufel"
(1 Joh 3,8). Vor ihm sündigte niemand. Und er sündigte nicht etwa,
weil er von seiner Natur her den Zwang zum Sündigen empfangen hätte,
womit man die Verantwortung für die Sünde dem Schöpfer aufbürden würde
.[3] Vielmehr war er als gutes Wesen erschaffen worden und wurde zum
Teufel durch seine eigene Wahl, denn seiner Taten wegen erhielt er
diesen Namen. Ursprünglich war er ein Erzengel, doch später nannte man
ihn "Teufel", weil er verleumdet und entzweit.[4] Von einem guten Diener
Gottes wurde er zum Satan, das heißt zum Widersacher.
Diese
Lehren sind nicht etwa von mir, sondern von Ezekiel, dem Geistträger
und Propheten, sagt dieser doch am Anfang seiner Wehklage über jenen:
"Als Siegel der Ähnlichkeit und Krone der Schönheit wardst du im
Paradies Gottes geboren" (Ez 28,12-13). Und weiter: "Du warst untadelig
zu deiner Zeit, von dem Tag an, wo du erschaffen wardst, bis das
Unrechte in dir gefunden ward" (Ez 28,15). Sehr richtig sagt er "in dir
gefunden ward", denn es wurde nicht hineingebracht von außen, sondern
jener selbst brachte das Böse hervor. Und den Grund hiefür gibt der
Prophet sogleich an: "Dein Herz überhob sich deiner Schönheit wegen. Auf
Grund der Vielzahl deiner Sünden warf Ich dich auf die Erde hinab." (Ez
28,17). Dasselbe sagt der Herr auch im Evangelium: "Ich sah den Satan
wie einen Blitz herabfallen aus dem Himmel" (Lk 10,18). Siehst du die
Übereinstimmung des Alten Testaments mit dem Neuen?
Indem
jener herabfiel, zog er viele andere mit sich. Er ist es, der denen,
die auf ihn hören, die Begierden eingibt. Von ihm kommen Ehebruch,
Unzucht und jedes andere Übel. Seinetwegen wurde unser Urvater Adam
verbannt und tauschte das wunderbare Paradies, das von selbst Früchte
hervorbrachte, gegen die Erde ein, die Dornen hervorbringt.
Rettung durch das Erbarmen Gottes und
die Metanie des Menschen
5. Was
tun also, wird nun einer fragen. Sind wir, nachdem wir getäuscht
wurden, endgültig verloren? Gibt es keine Rettung mehr? Wir sind
gestürzt. Können wir uns nie wieder erheben? Wir sind erblindet. Können
wir nie wieder sehen? Wir sind zu Hinkenden geworden. Können wir also
nie wieder richtig gehen? Um es kurz zu sagen: Wir sind gestorben,
werden wir also nicht auferstehen?
Derjenige,
Der den seit vier Tagen toten und bereits stinkenden Lazarus
auferweckte, o Mensch, wird Er nicht mit noch größerer Leichtigkeit dich
auferwecken, der du lebst? Er, Der Sein kostbares Blut vergossen hat
für uns, Er ist es, Der uns erlöst von der Sünde. Geben wir uns daher
nicht der Verzweiflung hin, Brüder. Stürzen wir uns nicht in einen
Zustand der Hoffnungs-losigkeit. Denn schlimm ist es, nicht zu vertrauen
auf die Hoffnung der Metanie. Wer keine Rettung erwartet, häuft
zügellos Unheil auf Unheil, doch derjenige, der auf Heilung hofft,
achtet fortan sorgfältig auf sich selbst. Der Räuber, der keine
Nachsicht erwartet, treibt seine Untaten weiter bis zum Irrsinn. Doch
wenn er auf Vergebung hofft, ändert er oft seine Gesinnung.
Seht
das Beispiel der Schlange: sie streift ihre alte Haut ab. Und wir, wir
wollen nicht die Sünde abstreifen? Wenn der von Dornen überwachsene
Acker, wenn er gut bearbeitet wird, reiche Frucht bringt, wir sollte da
für uns die Rettung unmöglich sein? Da es mithin für unsere Natur
möglich ist, die Rettung zu erlangen, ist fortan der Wille dazu
erforderlich.
Beispiele der Menschenfreundlichkeit Gottes
6. Gott
ist menschenfreundlich und das in nicht geringem Maß. Deshalb sag
nicht: "Ich habe Unzucht getrieben, die Ehe gebrochen und viele andere
schlimme Dinge getan, und das nicht nur einmal, sondern oftmals. Wird Er
mir da noch vergeben? Wird Er mir da Amnestie gewähren? Vernimm, was
der Psalmist sagt: "Wie groß ist die Fülle Deiner Güte, o Herr!" (Ps
30,20). Die Menge deiner angehäuften Sünden ist niemals so groß wie die
Erbarmungen Gottes. Deine Wunden sind nicht jenseits der
therapeutischen Fähigkeit des Großen Arztes. Dies eine nur tue - übergib
dich Ihm mit Vertrauen. Leg dem Arzt deine Krankheit dar. Sag auch du
wie David: "Ich will dem Herrn mein Unrecht bekennen wider mich" (Ps
31,5), und dann wird auch dir geschehen, was David gleich danach
hinzufügt: "Und Du hast mir die Gottlosigkeit meines Herzens vergeben"
(Ps 31,5).
7. Willst
du die Menschenfreundlichkeit Gottes sehen, du, der du seit kurzem in
die Kateche-se kommst? Willst du die Menschenfreundlichkeit Gottes sehen
und die Fülle Seiner Nachsicht? Dann vernimm, was mit Adam geschah.
Adam der Ersterschaffene war ungehorsam geworden gegen Gott. Hätte ihn
Gott nicht auf der Stelle dem Tod preisgeben können? Doch sieh, was der
menschenfreundliche Herr tat. Er verstieß ihn zwar aus dem Paradies -
denn durch seine Sünde war er des Lebens dort unwürdig geworden -,
siedelte ihn aber dem Paradies gegenüber an (s. Gen 3,24), damit er
durch die Betrachtung dessen, woraus er gefallen war, was er verloren
hatte und wo er hingelangt war, zur Metanie kommen und gerettet werden
möchte.
Kain,
der erstgeborene Mensch, wurde zum Brudermörder, zum Erfinder des
Unheils, Urheber des Mords und ersten Neider. Doch wie lautet das Urteil
für das Verbrechen an seinem Bruder? "In Stöhnen und Zittern wirst du
sein auf der Erde" (Gen 4,12). Groß die Sünde, doch gering die
Verurteilung.
8. Menschenfreundlichkeit
Gottes mithin war auch dieses Urteil, doch sie war noch klein im
Vergleich zu dem, was folgen sollte. Denk an die Geschehnisse zur Zeit
Noahs. Damals sündigten die Riesen, und soviel Unrecht ergoß sich über
die Erde, dass die Sintflut kommen mußte (s. Gen 6,2ff). Im 500. Jahr
[Noahs] sprach Gott Seine Drohung aus, und im 600. Jahr machte Er sie
wahr, die die Sintflut kam über die Erde (Gen 7,6ff). Siehst du das Maß
der Menschenfreundlichkeit Gottes, Seiner Langmut, dass Er hundert Jahre
lang zuwartete? Was Er nach jenen hundert Jahren tat, hätte Er es nicht
auf der Stelle tun können? Doch Er gewährte Aufschub, um Zeit zu lassen
für die Metanie. Siehst du Gottes Güte? Und hätten die Menschen damals
ihren Sinn geändert, würden sie die Menschenfreundlichkeit Gottes nicht
verscherzt haben.
Beispiele solcher, die durch die Metanie gerettet wurden
9. Doch
kommen wir nun zu den anderen, zu denjenigen, die durch die Metanie
gerettet wurden. Vielleicht könnte auch unter den Frauen hier jemand
sagen: "Ich habe Unzucht getrieben und meinen Leib besudelt mit jeder
Art von Zügellosigkeit. Gibt es da noch Rettung für mich?" Denk an Raab,
o Frau, und hoffe auch du auf deine Rettung. Denn wenn jene, die sich
offen und vor aller Augen dem Dirnengewerbe hingab (s. Jos 2,1), durch
die Metanie gerettet wurde, wie sollte jene, die einmal in Unzucht fiel,
bevor sie die Gnade [der Hl. Taufe] empfing, nicht durch Metanie und
Fasten gerettet werden?
Denn
forsche nach, wie jene gerettet wurde. Dies eine nur sagte sie: "Euer
Gott ist im Himmel und auf Erden" (Jos 2,11). "Euer Gott", sagte sie.
Denn ihrer Sittenlosigkeit wegen wagte sie nicht, Ihn als den ihrigen zu
bezeichnen. Und wenn du es annehmen willst, so hast du das schriftliche
Zeugnis über ihre Rettung in den Psalmen. "Ich werde Mich erinnern an
Raab und an Babylon unter denen, die Mich kennen" (Ps 86,4). O wie groß
ist die Menschenfreundlichkeit Gottes, die sogar noch der Dirnen gedenkt
in den Heiligen Schriften! Und Er sagt nicht bloß "Ich werde mich an
Raab und an Babylon erinnern", sondern fügt noch hinzu: "unter denen,
die Mich kennen"! Rettung gibt es mithin gleicherweise für Männer und
für Frauen, und sie wird durch die Metanie erlangt.
10. Selbst
wenn ein ganzes Volk sündigt, vermag auch das nicht, die
Menschenfreundlichkeit Gottes zu besiegen. Die Israeliten machten das
Goldene Kalb (s. Ex 32,1ff), doch Gott legte Seine
Menschenfreundlichkeit nicht ab. Die Menschen verleugnen Gott, Gott aber
kann Sich Selbst nicht verleugnen (2 Tim 2,13). "Dies sind deine
Götter, Israel", sagten jene (Ex 32,8). Doch wie immer wurde der Gott
Israels auch jetzt zu dessen Retter. Und nicht nur das Volk sündigte,
sondern auch Aaron der Hohepriester, ist es doch Moses selbst, der sagt:
"Auch über Aaron ergrimmte Er Sich,, und ich legte Fürbitte ein für
ihn" (Deut 9,20), worauf Gott ihm vergab.
Wenn
also Moses, als er Fürbitte einlegte für den sündigen Hohepriester, den
Herrn erweichte, wird da Jesus der Einziggeborene, wenn Er Fürbitte
einlegt für uns, Gott nicht noch viel mehr erweichen? Wenn Er jenen,
der gesündigt hatte, nicht hinderte, Hohepriester zu werden, wird Er
dann dich, der du aus den Heidenvölkern kommst, daran hindern, die
Rettung zu erlangen?
Ändere
mithin auch du, o Mensch, in gleicher Weise deinen Sinn, und die Gnade
wird dir nicht versagt bleiben. Wache fortan über deinen Lebenswandel,
damit er untadelig sei. Denn Gott ist in Wahrheit menschenfreundlich,
und kein Mensch ist imstand, Seine Menschen-freundlichkeit gebührend zu
darzustellen. Kämen auch alle Zungen zusammen, vermöchten sie doch nicht
einmal einen Teil der Menschenfreundlichkeit Gottes auszusprechen. Was
uns betrifft, so geben wir bloß ein Weniges wieder von dem, was
geschrieben steht über die Nachsicht Gottes gegenüber den Menschen.
Wieviel Er aber den Engeln vergibt, davon wissen wir nichts. Auch ihnen
vergibt Er ja, denn ein Einziger nur ist ohne Sünde - Jesus, Der uns
reinigt von unseren Sünden. Das möge genügen, was jene betrifft.
König David, das Vorbild der Metanie
11. Was
aber uns Menschen betrifft, so kann ich dir, wenn du willst, noch
weitere Beispiele nennen. Komm zum seligen David und nimm ihn dir als
Vorbild der Metanie. Dieser große Mann verfehlte sich (s. 2 Kön 11,2ff).
Als er vom Lager aufstand und in der Abendfrische auf dem Dach
herumging, ließ er seine Augen unbedacht umherschweifen, worauf ihm
etwas Menschliches widerfuhr. Er vollzog die Sünde, doch die edelmütige
Neigung, seine Verfehlung zu bekennen, erstarb nicht in ihm.
Da
kam Nathan der Prophet, zwecks sofortigen Tadels und Heilung der
Wunde, und sagte zu ihm: "Der Herr ist erzürnt über deine Sünde" (2 Kön
12,1ff). Dies sagte der Gemeine zum König. Und der purpurtragende König
empörte sich nicht. Denn er achtete nicht auf den, der zu ihm sprach,
sondern auf Den, Der ihn gesandt hatte. Noch auch blendete ihn die große
Schar der Krieger, die ihn umstanden. Denn sein Sinn war auf das
himmlische Heer des Herrn gerichtet, und Bangigkeit ergriff ihn, da er
die Gegenwart des Unsichtbaren spürte, als wäre Er sichtbar. Und er
sagte zu dem, der gekommen war, genauer gesagt zu Dem, Der ihn gesandt
hatte: "Ich habe gesündigt wider den Herrn" (2 Kön 12,13).
Siehst
du die Demut des Königs? Siehst du das unumwundene Sündenbekenntnis?
War er etwa von jemandem überführt worden? Wußten vielleicht viele von
der Sache? Plötzlich geschah sie, und sogleich erschien der Prophet
als Ankläger. Und der Schuldige bekannte die Untat ohne Umschweife. Und
weil er edelmütig bekannte, empfing er auf der Stelle die Heilung. Denn
der Prophet Nathan, der ihm zuvor gedroht hatte, sagte nun zu ihm: "Der
Herr hat deine Sünde hinweggenommen" (2 Kön 12,13). Siehst du, wie rasch
der menschenfreundliche Gott Sich erweichen ließ? Allerdings sagte er
zu ihm auch dies: "Durch deine Widersetzlichkeit hast du die Feinde des
Herrn zur Widersetzlichkeit gereizt" (s. 2 Kön 12,14). Deiner
Gerechtigkeit wegen hattest du viele Feinde, doch die Keuschheit
schützte dich. Indem du diese mächtige Waffe preisgabst, hast du
bewirkt, dass deine Feinde nun bereit sind, aufzustehen wider dich.
12. So
also tröstete der Prophet den König [mit der Verkündigung der
Vergebung], doch der selige David, obwohl er jenes "der Herr hat deine
Sünde hinweggenommen" gehört hatte, rückte nicht ab von der Metanie,
sondern umhüllte sich mit einem Sack anstelle des Purpurs, und statt auf
vergoldete Throne setzte sich der König in Asche auf den Boden. Und
nicht nur setzte er sich in Asche, sondern er aß auch Asche, wie er
selbst sagt: "Asche aß ich statt Brot" (Ps 101,10). Sein zuvor
begehrliches Auge erschöpfte er mit Tränen, sagt er doch weiter: "Jede
Nacht benetze ich mein Lager, und mit meinen Tränen tränke ich mein
Bett" (Ps 6,7). Und obwohl ihn seine Leute baten, Brot zu essen, lehnte
er ab. Erst als der siebte Tag vollendet war, beendete er sein Fasten (2
Kön 12,18ff). Wenn nun ein König solcherart seine Sünde bekennt, bist
dann nicht auch du, ein gewöhnlicher Mensch, zum Sündenbekenntnis
verpflichtet?
Und
bei der Rebellion seines Sohnes Abessalom, wählte er für seine Flucht,
obwohl es dafür viele andere Wege gab, denjenigen über den Ölberg (s. 2
Kön 15,30ff), als wollte er im Geist den Schutz des Erlösers anrufen,
Der von dort hinaufsteigen sollte in die Himmel. Und als Semeei ihn mit
bitteren Worten verfluchte, sagte er: "Laßt ihn" (2 Kön 16,10), denn er
wußte, dass demjenigen, der vergibt, ebenso vergeben werden wird (s. Mt
6,14 / Lk 6,38).
Weitere Beispiele solcher,
die durch ihre Metanie Erbarmen fanden
die durch ihre Metanie Erbarmen fanden
13.
Siehst du, dass es gut ist, die Sünden zu bekennen? Siehst du, dass es
für jene, die sich der Metanie hingeben, Rettung gibt? Auch Salomo fiel
in die Sünde. Doch was sagte er? "Später aber änderte ich meinen Sinn"
(Spr 24,32). Und Achaab, der König von Samaria, der vom Glauben abfiel
und zum fanatischen Götzenanbeter und brutalen Prophetenmörder wurde und
sich an den Äckern und Weinbergen Fremder vergriff (s. 3 Kön 16,29ff),
nachdem er durch Jezabel seine Frau den Naboth umgebracht hatte und
Elias der Prophet kam und ihm drohte, da zerriß er seine Kleider und
hüllte sich in Sacktuch (3 Kön 20,1ff). Und was sagte da der
menschenfreundliche Gott zu Elias? "Hast du gesehen, wie Achaab vor Mir
von Reumut durchbohrt wurde?" (3 Kön 20,29), geradeso als wollte Er den
feurigen Propheten zur Nachsicht bewegen gegenüber dem reumütigen
König, fügte Er doch hinzu: "Ich will das Unheil nicht in seinen Tagen
herbeiführen" (ebenda). Und obwohl Achaab selbst nach der Vergebung
nicht ablassen sollte von seinem bösen Tun, vergab ihm Derjenige, Der
vergibt. Und dies nicht etwa, weil Ihm das Künftige unbekannt gewesen
wäre, sondern der Metanie wegen, die jener zur Stunde zeigte, gewährte
Er ihm die entsprechende Vergebung, denn Kennzeichen des gerechten
Richters ist, dass Er jede Tat einzeln beurteilt, so wie es angemessen
ist.
14. Jeroboam,
der König von Israel, stand wieder einmal am Götzenaltar und opferte
den Götzen. Weil er befahl, den Propheten zu verhaften, der ihn tadelte
für sein Tun, wurde seine Hand gelähmt (s. 3 Kön 13,1ff). Da Jeroboam
durch diese Erfahrung die Macht dessen erkannte, der vor ihm stand,
sagte er zu ihm: "Leg Fürbitte ein vor dem Herrn deinem Gott" (3 Kön
13,6), und um dieses Wortes willen wurde seine Hand wiederhergestellt.
Wenn nun der Prophet den König Jeroboam heilte, ist da vielleicht
Christus nicht imstand, dich zu heilen, indem Er dich von den Sünden
befreit?
Auch
Manasse verstieß gewaltig gegen das göttliche Gesetz. Er war es, der
den Propheten Isaiah zersägte,[5] er beschmutzte sich mit jeder Art von
Götzendienerei und überschwemmte Jerusalem mit dem Blut Unschuldiger (s.
4 Kön 21,1ff). Doch als er gefangen nach Babylon geführt wurde, fand er
durch die Erfahrung dieser Übel zur Metanie und empfing die Heilung.
Sagt doch die Schrift: "Manasse demütigte sich vor dem Herrn und betete,
und der Herr erhörte ihn und führte ihn zurück in sein Königreich" (s.
2 Chron 33,12-13). Wenn nun jener, der den Propheten zersägte, durch
die Metanie gerettet wurde, wirst dann nicht auch du, der du nichts
derartiges getan hast, gerettet werden?
Die Macht der Metanie - das Beispiel des Königs Hesekiah
15. Sieh
zu, dass du die Macht der Metanie nicht leichtsinnig in Zweifel ziehst.
Willst du wissen, was die Metanie alles vermag? Willst du die starke
Waffe des Heils kennenlernen und erfahren, wie machtvoll das
Sündenbekenntnis ist? Hundertfünfundachtzigtausend Feinde vernichtete
Hesekiah kraft seines Bekenntnisses (s. 4 Kön 19,14-35)! Und dies ist in
der Tat gewaltig, doch es ist noch gering im Vergleich zu dem, was
danach folgen sollte.
Denn
durch seine Metanie erwirkte derselbe König außerdem die Widerrufung
eines göttlichen Urteils, das bereits ausgesprochen worden war. Als er
nämlich krank darniederlag, da kam Isaiah zu ihm und sagte: "Bring die
Angelegenheiten deines Hauses in Ordnung, denn du wirst sterben und
nicht weiterleben" (4 Kön 20,1 und Is 38,1). Welche Erwartung blieb ihm
da noch? Welche Hoffnung auf das Heil, wo doch der Prophet gesagt hatte:
"Du wirst sterben"? Doch Hesekiah ließ nicht ab von der Metanie, denn
er erinnerte sich an das, was geschrieben steht: "Wenn du dich abwendest
und seufzt, dann wirst du gerettet werden" (Is 30,15). So wandte er
sich ab zur Wand hin, und indem er seinen Geist von seinem Lager weg zum
Himmel wandte – denn kein Gemäuer, wie dick es auch sei, kann den
Geist hindern –, betete er mit Ehrfurcht zu Gott und sagte: "Herr,
gedenke meiner" (4 Kön 20,2-3 und Is 38, 2-3).
Denn
zu meiner Heilung genügt, wenn Du meiner gedenkst. Du bist nicht Zeiten
unterworfen, denn Du Selbst bist der Gesetzgeber des Lebens. Unser
Leben hängt nicht ab von Geburtsstunde und Konjunktion von Sternen, wie
einige in eitlem Geschwätz verkünden, sondern Du, Herr, bestimmst so,
wie Du willst, sowohl über das Leben als auch über die Lebenszeit. Und
so wurden dem, der gemäß der Ankündigung des Propheten keine Hoffnung
mehr auf Leben hatte, weitere fünfzehn Jahre hinzugefügt, und als
Zeichen dafür ließ Gott die Sonne rückwärts gehen auf ihrer Bahn (s. 4
Kön 20,5-11, Is 38,4-8 und Sir 48,23).
Um
Hesekiah willen mithin ging die Sonne rückwärts, um Christi willen
aber hörte sie auf zu scheinen. Sie änderte nicht ihre Bahn, sondern
hörte auf zu scheinen, woran sich der Unterschied zeigt zwischen beiden,
zwischen Hesekiah und Jesus, will ich sagen. Jener vermochte durch
seine Metanie ein Urteil Gottes aufzuheben, Jesus aber, gewährt nicht
Er Selbst Löschung der Sünden? Deshalb also wende dich ab und seufze
auch du, verschließ deine Tür und bete, damit Er dir vergebe und dir die
sengenden Flammen erspare. Denn das Bekenntnis der Sünden vermag sowohl
Feuer zu löschen als auch Löwen zu zähmen.
Die Drei Jünglinge im Feuerofen
16.
Zweifelst du daran, so bedenke, was Anania und seinen Gefährten
widerfuhr (s. Dan 31ff). Welche Wasserbäche gossen sie aus [um das Feuer
zu löschen]? Wieviele Kübel Wasser hätten jene Flammen zu löschen
vermocht, die neunundvierzig Ellen hoch loderten? Doch wo das Feuer
übermächtig war, dort wurde der Strom des Glaubens ausgegossen, dort
wurde als Gegengift zu allen Übeln der Hymnos gesungen: "Gerecht bis Du,
Herr, in allem, was Du an uns getan hast. Denn wir haben gesündigt und
Dein Gesetz gebrochen" (s. Dan 3,27-29), und die Metanie löschte die
Flammen. Wenn du nicht glaubst, dass die Metanie das Feuer der Gehenna
zu löschen vermag, dann laß dich belehren durch das, was Anania und
seinen Gefährten geschah. Nun wird vielleicht jemand von denen, die
aufmerksam zuhören, einwenden: "[Nicht auf Grund der Metanie, sondern]
Zu Recht hat Gott damals jene gerettet, denn sie weigerten sich, den
Götzen zu dienen, und deshalb gab ihnen Gott jene Kraft." Und da man
auch dies gelten lassen kann, will ich euch ein anderes Beispiel der
Metanie geben.
Nebukadnezar
17.
Welche Meinung hast du von Nebukadnezar? Hast du nicht aus den
Schriften vernommen, dass er der Gesinnung nach blutgierig war, wild,
ein Löwe? Hast du nicht gehört, dass er die Gebeine der Könige aus den
Gräbern ans Licht zerrte (Jer 8,1, Bar 2,24)? Hast du nicht gehört, dass
er das Volk verschleppte? Hast du nicht gehört, dass er die Augen des
Königs blendete, nachdem er seine Söhne vor dessen Augen niedergemetzelt
hatte (4 Kön 25,7)? Hast du nicht gehört, dass er die Cherubim
zerschmetterte (nicht die noetischen, Gott bewahre! denk nicht
solches, o Mensch, sondern die geschnitzten, jene am Ort der Versöhnung,
zwischen denen Gott mit Seiner Stimme zu sprechen pflegte [6])? Er riß
den Vorhang zum Allerheiligsten nieder und zertrampelte ihn, nahm den
Weihrauchaltar und stellte ihn in seinem Götzentempel auf (Dan 1,2). Er
raubte alle Weihgaben und brannte den Tempel nieder bis auf die
Grundmauern. Welcher Strafen war dieser würdig, der Könige umbrachte,
das Heilige verbrannte, das Volk in die Gefangenschaft entführte und die
heiligen Gerätschaften mißbrauchte zum Götzenkult? War er nicht
Tausender von Toden würdig?
18. Hast
du das Ausmaß seiner Untaten gesehen? Nun komm und sieh die
Menschen-freundlichkeit Gottes! Nebukadnezar wurde mit Wahnsinn
geschlagen und lebte in der Wüste wie ein wildes Tier (Dan 4,1ff). Er
wurde geschlagen, damit er gerettet würde. Die Nägel wuchsen ihm so lang
wie Löwenkrallen, denn er hatte das Heilige geraubt. Sein Haar wurde
wie eine Löwenmähne, denn ein Löwe war er, der raubte und brüllte. Er aß
Gras wie ein Ochse, denn er war ein rohes Tier und kannte Denjenigen
nicht, Der ihm das Königtum verliehen hatte. Sein Körper wurde durchnäßt
vom Tau, denn obwohl er gesehen hatte, wie der Tau das Feuer löschte
(Dan 3,45-50), glaubte er nicht.
Und
was geschah danach? "Nach alledem", so steht geschrieben, "erhob ich,
Nebukadnezar, meine Augen zum Himmel und segnete den Allerhöchsten und
lobpries und verherrlichte Denjenigen, Der lebt in Ewigkeit" (Dan
4,34). Als er mithin den Allerhöchsten erkannte und Dankgebete
aufsteigen ließ zu Gott, als er bereute, was er getan hatte und seine
eigene Krankheit erkannte, da gab ihm Gott die Königswürde zurück.
19. Was
also? Wenn Nebukadnezar, der solche Dinge getan hatte, nach dem
Bekenntnis seiner Sünden die Vergebung gewährt und das Königreich
wiedergegeben wurde, wird dann nicht auch dir, der du dich der Metanie
zugewandt hast, Vergebung der Sünden und das Reich der Himmel gewährt
werden, wenn du dein Leben würdig führst?
Mit Zuversicht ans Werk der Metanie
Menschenfreundlich
ist der Herr und rasch im Vergeben, langsam aber im Bestrafen. Deshalb
verzweifle niemand an seiner Rettung. Petrus der höchste der Apostel und
ihr Anführer, verleugnete aus Furcht vor einer Magd dreimal den Herrn,
doch dann bereute er es und weinte bitterlich (Mt 26,69ff). Jenes
Weinen zeigte, dass seine Metanie von Herzen kam, und deshalb empfing
er nicht nur die Vergebung für sein Verleugnen, sondern bewahrte auch
seine apostolische Würde, ohne etwas davon einzubüssen.
20. Da
wir also, Brüder, so viele Vorbilder haben von Menschen, die sündigten,
ihre Gesinnung änderten und gerettet wurden, bekennt auch ihr dem Herrn
bereitwillig eure Sünden, damit ihr sowohl die Vergebung der Sünden
empfangt, die ihr begangen habt, als auch der himmlischen Gabe würdig
erfunden werden und das Himmelreich erben möchtet, zusammen mit allen
Heiligen, in Christus Jesus, Dem die Herrlichkeit gehört in die Ewen der
Ewen. Amen.
[1] Dies
ist die 2. der 18 Katechesen (d.h. Unterweisungen im Glauben) an die
Täuflinge, die der hl. Kyrillos, Patriarch von Jerusalem (315-386, s.
Das Synaxarion am 18. März) um das Jahr 350 während der Großen
Fastenzeit in der Auferstehungsbasilika in Jerusalem an die
Katechumenen richtete, die sich auf die Hl. Taufe vorbereiteten.
Griech. Urtext in EPE KyrJer Bd. 1 unter dem Titel "Κατήχησις Β' τῶν
Φωτιζομένων, Περί Μετανοίας καὶ ἀφέσεως ἁμαρτιῶν καὶ περί Ἀντικειμένου"
("2. Katechese derjenigen, die erleuchtet werden sollen: Über die
Metanie und die Vergebung der Sünden sowie über den Widersacher").
Deutsche Übersetzung vom Kloster des Hl. Johannes des Vorläufers,
Chania 2011. Der orthodoxe Begriff der Metanie (von gr. μετάνοια,
wörtl. "Sinneswandel") ist äußerst reichhaltig und geht weit hinaus
über das, was gemeinhin unter "Busse" und "Reue" verstanden wird. So
wie die Hl. Väter ihn verwenden und wie auch die vorliegende Homilie
des hl. Kyrillos zeigt, beinhaltet er das eigentliche Leben des wahren
Christen, d.h. den lebenslänglichen Kampf um ein Leben gemäß dem
Willen Gottes, die Erfüllung der Gebote Christi, die Abwendung von der
weltlichen Gesinnung, der Sünde, und Hinwendung zu Gott.
[2] Der
hl. Kyrillos bezeugt hier (um 350) das hohe Alter der Lehre der hl.
Väter betreffend den Kampf gegen die leidenschaftlichen Gedanken, wie
wir sie in der Philokalie finden und die fälschlicherweise oft Evagrios
Pontikos (geboren 346) zugeschrieben wird.
[3] Wie das gewisse Häretiker tun, z.B. die Markioniten und die Manichäer, die behaupten, der Teufel sei von Natur aus böse.
[4]
"Teufel" ist die Verdeutschung des griechischen Worts "diabolos"
(über got. diabaulus und althd. tiufal), vom Verb διαβάλλω (diavallo),
das "verleumden, entzweien, verhaßt machen" bedeutet.
[5] Der
Martyrertod des Propheten Isaiah durch Zersägen, den der Apostel
Paulus in Hebr 11,32 erwähnt, allerdings ohne Namensnennung, und von dem
auch alle hl. Vätern der Kirche berichten, ist im AT nicht belegt,
sondern durch außerbiblische Quellen überliefert.
[6] Auf
der Arche des Zeugnisses (Bundeslade) war eine Deckplatte aus reinem
Gold, die zwei aus Gold getriebene Cherub-Figuren mit ausgebreiteten
Flügeln trug und "Stätte der Versöhnung" (gr. ἱλαστήριον, hebr.
kapporeth) genannt wurde (s. Ex 25,9ff). Von diesem Ort herab sprach
Gott zu Moses.
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