Hl. Nikolaj Velimirović, Bischof von Ochrid
Wie wird der Westen wieder
orthodox? [1]
Wie wird der Westen wieder
orthodox? [1]
Laßt
euch nicht beeinflussen durch das, was die Augen sehen, denn die Augen
sehen die Oberfläche, nicht die Tiefe. Die Augen sehen die äußere
Bekleidung des Menschen, doch nicht sein Wesen. Sie sehen den
Schauspieler, nicht den Menschen. Die Augen sehen den äußeren Menschen,
nicht Gott.
Nur
der gesegnete Geist sieht, was das Auge nicht zu sehen vermag - die
Tiefe unter der Oberfläche, das Wesen unter der äußeren Erscheinung, den
Menschen hinter dem Schauspieler, Gott hinter dem Menschen. Die reifen
Menschen sehen das, was sich nicht zeigt, während die Kinder nur das
sehen, was sich zeigt. Die Tiefe jedwelchen Seienden ist unsichtbar. Die
Tiefe und das Wesen der Dinge sind für das Sinnesorgan Auge nicht
wahrnehmbar.
Doch sie sind wahrnehmbar für das innere Auge, das
göttliche Auge, das Gott einem jeden von uns geschenkt hat, den Geist.
Kurz gefaßt könnte man sagen, dass das leibliche Auge Symbole und Bilder
sieht, während der Geist das Wesen, die Tiefe der Dinge sieht. Er
schaut auf geistige Art.
Einmal fragten die Jünger den Herrn: "Warum redest Du zu ihnen in Gleichnissen?" Und Er antwortete ihnen: "Euch wurde gewährt, die Mysterien des Himmelsreichs zu erkennen, jenen aber wurde es nicht gewährt" (s. Mt 13,10-11).
Mit
den leiblichen Augen mithin sehen wir nur das Materielle. Wir sehen die
äußere Erscheinung der Dinge, die Farbe, die Form, doch das Wesen und
die Tiefe können wir damit nicht sehen. Aus diesem Grund spricht der
Herr zu uns mit Hilfe von Gleichnissen, das heißt mit Hilfe von
Symbolen, Bildern, Beschreibungen der äußeren Gestalt der Dinge, denn
dies ist die einzige Art, die unseren Augen zugänglich ist. Etwas
Ähnliches geschieht im Bereich der Ernährung. Eine ist die Nahrung der
Kleinkinder, eine andere jene der Erwachsenen, die feste Nahrung kauen
können.
So
auch sieht der unreife Mensch auf andere Art als derjenige, der reif
ist, der die Mysterien des Lebens begreift, denn letzterer bemüht sich
unausgesetzt darum, zu erfahren, welches die Tiefe und das Wesen der
Dinge ist.
Die Gleichnisse sind für die Kinder, und Gott liebt die Kinder.
Es
schön, ein Kind zu sein, und es ist natürlich für das Kind, dorthin zu
gehen, wohin es seine Augen führen, denn der Blick der Kinder gleitet
über die Oberfläche der Dinge. Doch unschön ist, wenn der erwachsene
Mensch kindisch wird, unschön und unnatürlich.
Die
westliche Welt ist kindisch geworden, und das ist unschön. Als der
Westen orthodox war, sah er die Welt auf geistige Art, mit dem Geist.
Doch je mehr er sich von der christlichen Wahrheit entfernte, desto mehr
trübte sich sein geistiger Blick, bis dieser geistige Blick sich im
zwanzigsten Jahrhundert zur Gänze verfinsterte. Nun sind ihm nur noch
die leiblichen Augen geblieben, der Sinn des Sehens. Er hat sich mit
vielen und außergewöhnlichen Instrumenten ausgerüstet, um die materielle
Welt besser und genauer zu sehen, die Formen, die Farben, das
Zahlenmäßige, die Masse und die Entfernungen. Die westliche Welt
studiert unter dem Mikroskop die Mikroben so genau, wie niemand sie je
zuvor studiert hat. Er sieht durch das Teleskop die Sterne so nah, als
wären sie hier über dem Schornstein, wie sie man nie zuvor gesehen hat.
Was
allerdings das verborgene Wesen der Dinge betrifft, den verborgenen
Sinn aller geschaffenen Dinge im Universum, da, meine Brüder, sind die
Menschen des Westens heute blind, blinder als das islamische Arabien,
blinder als Indien, das an den Gott Brahma glaubt, blinder als das
buddhistische Tibet und China. Eine größere Schmach als diese hat unser
Christus in den letzten zweitausend Jahren nicht erlebt - Menschen, die
im Namen des Herrn getauft wurden und geistig blinder sind als die
Ungetauften!
Jenen
Menschen des Westens mit dem kindischen Benehmen würde der Apostel
Paulus heute dasselbe sagen, was er einst zu den Galatern sagte: "O
ihr unverständigen Galater! Wer hat euch behext, dass ihr der Wahrheit
nicht glaubt, ihr, vor deren Augen Christus hingezeichnet worden ist
als der Gekreuzigte? Habt ihr den Heiligen Geist aus Werken des Gesetzes
empfangen oder indem ihr die Verkündigung hörtet und glaubtet? Seid ihr
wirklich so verständnislos? Nachdem ihr im Geist angefangen habt, wie
endet ihr nun beim Fleisch?" (Gal 3,1-3).
Europa
begann mit dem Heiligen Geist, doch jetzt lebt es mit der Materie, das
heißt mit fleischlichen Gedanken, mit fleischlichen Begierden, mit
materiellen Errungen-schaften. So als wäre es behext!
Der
gesamte Gang Europas in unserer Zeit bewegt sich in nur zwei
Dimensionen – der Breite und der Länge der Dinge. Das westliche Europa
kennt weder die Tiefe noch die Höhe der Dinge, nur die Breite und die
Länge kennt es, die Erde und den Boden. Ständig ringt es, um mehr Boden
zu gewinnen, Boden und nur Boden!
Aus diesem Grund brechen Kriege aus. Ein Krieg folgt dem anderen.
Ein Horror folgt auf den anderen.
Doch
Gott hat den Menschen nicht erschaffen, damit er nur nach Boden strebe.
Vielmehr hat Gott den Menschen erschaffen, damit er jenes Wesen sei,
das mit seinem Geist die Mysterien des Daseins ergründet und mit seinem
Herzen aufsteigt zur Höhe Gottes.
Der
Krieg um den Boden, um mehr Erde, ist ein Krieg gegen die Wahrheit. Der
Krieg gegen die Wahrheit ist Krieg gegen die göttliche und die
menschliche Natur.
Welche
Enttäuschung! Bitterer als Absinth. Wieviele Menschen werden vernichtet
und hingeopfert für das endliche, vergängliche, vorläufige und
lügnerische Reich der Erde! Wollten die Menschen ein wenig Mühsal und
Opfer erdulden für das Himmelreich, gäbe es auf Erden keinen Krieg.
Christus
widmen die Menschen des Westens mit Mühe zwei Groschen, doch dem Tempel
des Teufels schenken sie ihr ganzes Vermögen und alle ihre Kinder!
Europa
bekreuzige sich und kehre zurück auf den Weg Christi. Es bete zur
Allheiligen Gottesmutter, es erinnere sich an die zwölf Apostel, und
dann werden ihm die Schuppen von den Augen fallen. Dann wird es wieder
so schön werden, wie es war vor tausend Jahren. Dann wird es wieder zum
orthodoxen Europa werden. Dann wird sowohl es selbst glücklich sein und
wir mit ihm. Dann werden die weinenden Völker Europas sich freuen, und
alle zusammen werden wir Gott den ewigen Hymnos darbringen: Heilig, Heilig, Heilig der Herr Sabaoth, von Deiner Herrlichkeit sind Himmel und Erde erfüllt. Amen.
Quelle: http://www.prodromos-verlag.de/
[1] Übersetzt vom Kloster des Hl. Johannes des Vorläufers (Chania) aus dem Griechischen, der Textsammlung Άγιος Νικόλαος Βελιμιροβιτζ, Μέσα από το παράθυρο της φυλακής ("Durch das Gefängnisfenster"), geschrieben während des 2. Weltkriegs, als der heilige Nikolaj von den Nazis eingekerkert und schließlich ins Vernichtungslager Dachau deportiert wurde. Verlag Orthodoxos Kypseli, Thessaloniki.
http://www.impantokratoros.gr/148278B8.de.aspx
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