Hl. Basilios der Große
Homilie
über das Schriftwort
„Achte auf dich selbst!“
(Deut 15,9)
Homilie
über das Schriftwort
„Achte auf dich selbst!“
(Deut 15,9)
Vorrede:
Warum uns Gott die Sprache gegeben hat
Warum uns Gott die Sprache gegeben hat
1. Gott
unser Schöpfer hat uns den Gebrauch der Sprache gewährt, damit wir
einander die Gedanken unserer Herzen offenbaren und damit jeder, auf
Grund des kommuni-kativen Charakters unserer Natur, dem Nächsten die
verborgenen Ratschlüsse seines Herzens kundtun kann, indem er sie
gleichsam wie aus Schatzkammern an den Tag bringt. Lebten wir durch die
Seele allein, ohne Körper, könnten wir uns untereinander unmittelbar
verständigen durch die bloßen Gedanken, doch weil unsere Seele die
Gedanken hervorbringt unter dem Vorhang des Fleisches, der sie bedeckt,
bedarf es der Worte und Namen, um das in der Tiefe Liegende bekannt zu
machen.
Hat
unser Gedanke einmal seine verbale Formulierung und Stimme gefunden,
geht er, vom Wort getragen wie von einer Fähre, welche die Luft
durchquert, vom Sprechenden zum Hörenden. Und findet das Wort tiefe Ruhe
und Stille im Gehör der Lernenden, einen geschützten und sturmsicheren
Hafen gewissermaßen, legt es dort an. Doch bei Gegenwind, wenn sich ihm
der Lärm unter den Zuhörern einem heftigen Sturme gleich entgegenstellt,
erleidet es Schiffbruch und zerlöst sich mitten in der Luft.
Deshalb
verschafft dem Wort einen ruhigen Hafen durch euer Schweigen. Denn es
kann sein, dass etwas von dem, was es zu euch bringt, sich als nützlich
erweist.
Das
Wort der Wahrheit ist eine schwer zu erjagende Beute, und leicht
entgeht sie denjenigen, die nicht aufmerksam sind. Denn der Heilige
Geist hat es so gefügt, dass dies Wort kurz und gedrängt ist, damit es
mit Wenigem Vieles sage und der Kürze wegen leicht im Gedächtnis
behalten werden kann. Abgesehen davon besteht ja die natürliche Tugend
des Worts darin, weder durch Unklarheit den Sinn des Gesagten zu
verhüllen, noch mit überflüssigen und leeren Worten um das Thema
herumzureden.
Achte auf dich selbst,
damit du nicht in Gedanken sündigst
Ein solches Wort der Wahrheit ist auch das, welches uns soeben aus den Büchern Mose vorgelesen worden ist und das die Fleißigen unter euch sicherlich registriert haben, es sei denn, es ist euren Ohren auf Grund seiner Kürze entgangen. Dieses Wort lautet wie folgt:
Achte auf dich selbst,
damit du nicht in Gedanken sündigst
Ein solches Wort der Wahrheit ist auch das, welches uns soeben aus den Büchern Mose vorgelesen worden ist und das die Fleißigen unter euch sicherlich registriert haben, es sei denn, es ist euren Ohren auf Grund seiner Kürze entgangen. Dieses Wort lautet wie folgt:
Achte auf dich selbst, damit nicht etwa ein heimlicher Gedanke aufsteige in deinem Herzen zur Sünde (Deut 15,9).
Wir
Menschen fallen leicht in Sünden, die in Gedanken begangen werden.
Deshalb hat Er, Der unsere Herzen einzeln erschaffen hat (s. Ps 32,15)
und Der weiß, dass der Hauptteil der Sünde mit dem Impuls der Absicht
begangen wird, uns allem voran die Reinheit des lenkenden Geistes
geboten. Denn das, womit wir leichter sündigen, bedarf auch der größeren
Wachsamkeit und Sorge. So wie vorausschauende Ärzte die anfälligen
Körper durch prophylaktische Massnahmen schützen, so auch behütet unser
aller Beschützer und wahre Arzt unserer Seelen das, was in uns, wie Er
weiß, am ehesten in die Sünde abgleitet, durch stärkere
Vorbeugungsmassnahmen.
Was
mit dem Körper getan wird, erfordert Zeit und Gelegenheit, Anstrengung,
Mitwirkende und anderes dergleichen. Die Bewegungen des Denkens jedoch
geschehen im Nu, ohne Anstrengung, ohne Mitwirkende, und jeder Zeitpunkt
ist ihnen gelegen. Wie oft in der Tat geschieht es nicht, dass einer,
der sich ernsthaft gibt und Sittsamkeit zur Schau stellt, äusserlich
umhüllt mit dem Mantel der Besonnenheit, inmitten von solchen sitzt, die
ihn lobpreisen für seine Tugend, und getrieben durch die unsichtbare
Bewegung des Herzens in seinen Gedanken abschweift zum Ort der Sünde.
In seiner Phantasie sieht er das Begehrte, stellt sich eine ungehörige
Zusammenkunft vor, malt sich in seinem Innern die Lust aus, und so
begeht er in der heimlichen Werkstatt seines Herzens die Sünde, ohne
Zeugen, allen unbekannt, bis Jener kommt, Der die verborgenen Dinge der Finsternis aufdecken und die Regungen der Herzen offenlegen wird (1 Kor 4,5).
Deshalb hüte dich, „damit nicht etwa ein heimlicher Gedanke in deinem Herzen aufsteige zur Sünde“. Denn „wer eine Frau ansieht in begehrlicher Absicht, hat schon die Ehe gebrochen mit ihr in seinem Herzen“
(Mt 5,28). Werden nämlich die Taten des Körpers verhindert durch
mancherlei Faktoren, vollbringt jener, welcher in seiner Absicht
sündigt, die Sünde mit der Schnelligkeit der Gedanken.
Wo es mithin diese Schnelle des Vergehens gibt, da ist uns auch die Schnelle der Vorbeugung gegeben worden. Heißt es doch: „Damit nicht etwa ein heimlicher Gedanke auf- steige in deinem Herzen zur Sünde.“ Doch laßt uns dieses Wort besser von Anfang an aufnehmen.
Was es bedeutet, auf sich selbst zu achten
Was es bedeutet, auf sich selbst zu achten
2. Achte
auf dich selbst“, sagt die Schrift. Jedes Lebewesen hat von Gott, dem
Schöpfer aller Dinge, den angeborenen Trieb zum Schutz seiner eigenen
Existenz empfangen. Und wenn du die Dinge genau untersuchst, wirst du
entdecken, dass die meisten der vernunftlosen Tiere, ohne belehrt worden
zu sein, von sich aus die Unterscheidung des für sie Schädlichen
besitzen, und wiederum, dass sie durch eine natürliche Anziehung zum
Genuss dessen eilen, was ihnen bekömmlich ist.
Was
uns Menschen betrifft, so hat Gott, unser Erzieher, uns jenes überaus
bedeutsame Gebot gegeben, damit es uns kraft der Vernunft zu dem
verhelfe, was die Tiere von Natur aus haben, und damit wir das, was den
Tieren ohne Lenkung gelingt, durch die Wachsamkeit und das ständige
Lenken unserer Gedanken vollbringen möchten. Fernerhin, damit wir treue
Vollstrecker der uns von Gott gegebenen Gebote seien und die Sünde
meiden, so wie die vernunftlosen Tiere die giftigen Pflanzen meiden, und
nach der Gerechtigkeit streben, so wie die Tiere zu den fetten Weiden
streben.
Achte mithin auf dich selbst, damit du stark wirst im Unterscheiden des Schädlichen vom Heilsamen.
Es
gibt zwei Arten von Achtsamkeit, nämlich einerseits das aufmerksame
Hinschauen mit den leiblichen Augen auf die sichtbaren Dinge und
andererseits die Hinwendung der erkennenden Kraft der Seele zur
Wahrnehmung der körperlosen Dinge. Wenn wir dafürhalten, das Gebot
beziehe sich auf das Schauen mit den Augen, so erweist es sich von
vornherein als unerfüllbar. Denn wie vermöchte einer sich selbst zur
Gänze mit dem Auge zu erfassen? Das Auge sieht weder sich selbst, noch
die Schädelkuppe, noch den Rücken, noch das Gesicht, noch die Neigung im
Innersten.
Da
es aber gottlos ist, die Weisungen des Heiligen Geistes als unerfüllbar
zu bezeichnen, bleibt uns nichts anderes übrig, als jenes Gebot im
Sinn der zweiten Art von Achtsamkeit zu verstehen, jener des geistigen
Schauens. „Achte auf dich selbst“, das heißt, wache über dich
rundum, von allen Seiten. Halte das Auge der Seele unermüdlich auf die
Bewahrung deiner selbst gerichtet, denn du wanderst inmitten von Fallen.
Verborgene Schlingen hat der Feind überall ausgelegt. Deshalb achte
sorgfältig auf jedes Ding, „damit du entkommst, wie das Reh der Schlinge und der Vogel der Falle“
(Spr 6,5). Das Reh läßt sich nicht in Schlingen fangen, und zwar seiner
Scharfsichtigkeit wegen, von der es auch seinen Namen hat.[2] Und der
Vogel, wenn er sich vorsieht, erhebt sich mit leichtem Flügelschlag
hinweg über die Nachstellungen der Jäger.
Deshalb
sieh zu, dass du dich im Achten auf dich selbst nicht etwa als dümmer
erweist als die vernunftlosen Tiere und dich fangen läßt in den Fallen,
sodass du zur Beute des Teufels wirst, zum Gefangenen seines Willens.
Auf deine unsterbliche Seele achte
3. Achte auf dich selbst“, das heißt, nicht auf das Deinige, noch auch auf das, was um dich ist, sondern allein auf dich selbst sollst du achten. Denn wir selbst sind etwas anderes als das Unsrige und ebenso etwas anderes als das, was um uns ist.
Auf deine unsterbliche Seele achte
3. Achte auf dich selbst“, das heißt, nicht auf das Deinige, noch auch auf das, was um dich ist, sondern allein auf dich selbst sollst du achten. Denn wir selbst sind etwas anderes als das Unsrige und ebenso etwas anderes als das, was um uns ist.
Wir
selbst, das ist die Seele und der Geist, sind wir doch erschaffen nach
dem Bilde unseres Schöpfers. Das Unsrige ist der Leib mit seinen
Empfindungen. Das uns Umgebende ist: Besitz, Fertigkeiten und der
übrige Hausrat dieses irdischen Daseins.
Was
also gebietet uns das Wort der Heiligen Schrift? Weder auf das Fleisch
sollst du achten, noch auch sollst du mit allen Mitteln nach dem
streben, was gut ist für dieses – Gesundheit, Schönheit, Genüsse, langes
Leben -, noch auch sollst du Besitz, Ruhm und Macht hochschätzen und
ebensowenig das, was dir dienlich ist für das vergängliche Leben, als
von großer Bedeutung betrachten, sodass du um dieser Dinge willen das
vorrangige Leben vernachlässigst. Sondern „auf dich selbst“ sollst du achten, das heißt auf deine Seele.
Diese
schmücke und um diese mühe dich, indem du sie kraft der Achtsamkeit
befreist von all dem Schmutz, der sich der Bosheit wegen in ihr
festgesetzt hat, und sie reinigst von der Häßlichkeit des Lasters, indem
du sie zierst und lichtvoll machst mit der Schönheit jeglicher Tugend.
Erforsche
dich selbst, damit du erkennst, was du bist. Erkenne deine eigene
Natur, denn dein Körper ist zwar sterblich, deine Seele aber
unsterblich. Unser Leben ist ein zweifaches – das eine gehört zum Leib
und geht schnell vorbei, das andere ist der Seele angehörig und entzieht
sich jeder Umgrenzung.
Achte
mithin auf dich selbst, damit du weder dem Sterblichen anhängst, so als
hätte es ewigen Bestand, noch das Unsterbliche verachtest, so als wäre
es vergänglich. Sieh hinweg über das Fleisch, denn es vergeht. Trag
Sorge zur Seele, denn sie ist ein unsterblich Ding. Wache mit aller
Sorgfalt über dich selbst, damit du jedem zuzuteilen weißt, was ihm
zukommt – dem Fleisch Nahrung und Bedeckung, der Seele Dogmen rechten
Glaubens, Erziehung zum Anstand, Übung in der Tugend, Berichtigung der
Leidenschaften. Weder sollst du den Leib überfetten, noch den Gelüsten
des Fleisches nachgeben. Denn „das Fleisch begehrt wider den Geist und der Geist wider das Fleisch, sind sie doch einander entgegen-gesetzt“ (Gal 5,17).
Sieh
zu, dass du nicht, indem du hinzufügst zum Fleisch, dem geringeren Teil
deiner Natur große Macht gewährst. Denn geradeso wie bei einer Waage
die eine Schale an [relativem] Gewicht verliert, wenn du die andere
schwer belastest, so auch bewirkt im Verhältnis von Körper und Seele das
Mehrgewicht des einen zwangsläufig das Mindergewicht der anderen. Wenn
es dem Körper wohl ergeht und er mit Übergewicht belastet ist, wird der
Geist zwangsläufig träge und schlaff gegenüber seinen eigenen Regungen.
Ist aber die Seele bei guter Gesundheit und durch das Bemühen um die
wahren Güter auf der Höhe ihrer eigenen Größe, folgt daraus
notwendigerweise ein Welken des Körpers.
Therapie der Kranken, Vollendung der Gesunden
4. Das Gebot ist gleicherweise nützlich für die Kranken wie für die Gesunden. Bei Krankheit gebieten die Ärzte den davon Betroffenen, auf sich selbst zu achten und nichts zu vernachlässigen von dem, was beiträgt zu ihrer Heilung. So auch heilt das Wort Gottes, der Arzt unserer Seelen, mit diesem kleinen Hilfsmittel die Seele, die an der Sünde erkrankt ist.
Therapie der Kranken, Vollendung der Gesunden
4. Das Gebot ist gleicherweise nützlich für die Kranken wie für die Gesunden. Bei Krankheit gebieten die Ärzte den davon Betroffenen, auf sich selbst zu achten und nichts zu vernachlässigen von dem, was beiträgt zu ihrer Heilung. So auch heilt das Wort Gottes, der Arzt unserer Seelen, mit diesem kleinen Hilfsmittel die Seele, die an der Sünde erkrankt ist.
„Achte auf dich selbst“,
damit du aus der Therapie die Hilfe empfängst, die der Schwere des
Vergehens entspricht. Ist die Sünde groß und schlimm? Du hast viel
Beichte nötig, bittere Tränen, ausgedehnte Nachtwachen, ununterbrochenes
Fasten. Ist das Vergehen leicht und erträglich? Dann sei es auch das
Werk der Metanie. Nur achte auf dich selbst, damit du der Seele
Krankheit und Gesundheit unterscheidest. Denn viele wissen ihrer großen
Unachtsam-keit wegen nicht einmal, dass sie krank sind, obwohl sie an
schweren und unheilbaren Krankheiten leiden.
Doch
auch für die in ihrem Tun Gesunden ist das Gebot von großem Nutzen,
denn während es die Kranken heilt, macht es die Gesunden vollkommen.
Jeder von uns, die wir uns belehren lassen vom Wort Gottes, ist Diener
irgendeines der Tugendwerke, die uns das Evangelium vorschreibt. In dem
großen Haus der Kirche gibt es nicht nur Gefäße aller Art, goldene,
silberne, hölzerne und irdene (s. 2 Tim 2,20), sondern auch vielerlei
Fertigkeiten. Das Haus Gottes, „das die Kirche des Lebendigen Gottes ist“
(1 Tim 3,15), hat seine Jäger, Wanderer, Baumeister, Bauleute,
Ackerbauern, Hirten, Athleten, Soldaten. Für sie alle ist jenes kurze
Wort angezeigt, hält es doch jeden an zur Sorgfalt in seinem Werk und
zur Ernsthaftigkeit in seinem Streben.
Bist du ein Jäger, gesandt vom Herrn, Der sagte: „Siehe, Ich sende viele Jäger aus, und sie werden sie fangen auf jedem Berg“
(Jer 16,16)? Dann achte mit Sorgfalt darauf, dass dir das Wild nicht
etwa entkommt, sondern dass du diejenigen, die der Bosheit wegen
verwildert sind, mit dem Wort der Wahrheit einfängst und sie dem Retter
zuführst.
Bist du ein Wanderer wie jener, der bittet: „Meine Schritte lenke auf geradem Weg“
(Ps 118,133)? Dann achte auf dich selbst, damit du nicht abkommst vom
Weg. Weiche weder nach rechts ab noch nach links, sondern folge dem
Königsweg.
Der
Baumeister lege mit Gewißheit den Grundstein des Glaubens, Der da ist
Jesus Christus. Und der Bauende sehe zu, dass er darauf weiterbaut nicht
mit Holz, nicht mit Stroh, nicht mit Schilf, sondern mit Gold, Silber
und Edelsteinen (s. 1 Kor 3,11-12).
Der
Hirte achte darauf, dass er nichts vernachlässigt von dem, was die
Hirtenkunst gebietet. Und was ist das? Dass er das verirrte Schaf
zurückhole, das verwundete verbinde, das kranke heile.
Der Ackerbauer hacke auf rings um den unfruchtbaren Feigenbaum und gebe ihm, was die Fruchtbarkeit fördert (s. Lk 13,8).
Bist du Soldat (s. 2 Tim 2,3), dann „leide mit für das Evangelium“ (1 Tim 1,8), „kämpfe den guten Kampf“ (1 Tim 1,18) „gegen die Geister der Bosheit“ (Eph 6,12), gegen die Leidenschaften des Fleisches, leg an die Vollrüstung Gottes (Eph
6,13), verwickle dich nicht in die Geschäfte dieses Daseins, damit du
Demjenigen gefällst, Der dich eingezogen hat in Sein Heer (s. 2 Tim
2,4).
Bist du Athlet, achte auf dich selbst, damit du nicht in irgendeinem Punkt die Kampfregeln übertrittst, denn „keiner wird bekränzt, wenn er nicht den Regeln gemäß gekämpft hat“
(2 Tim 2,5). Ahme Paulus nach, wie er lief und rang und mit den Fäusten
kämpfte (s. 2 Kor 9,26). Und wie ein guter Faustkämpfer bewahr den
Blick deiner Seele vom Umherschweifen. Schütze die lebenswichtigen
Körperteile durch Vorhalten deiner Hände. Halte dein Auge auf den Feind
gerichtet. Auf dem Weg streck dich aus nach dem, was vor dir liegt (s.
Phil 3,14). Eile so voran, dass du ans Ziel gelangst. Im Kampf ringe mit
den unsichtbaren Feinden.
Ein
solcher sollst du sein dein Leben lang - das ist, was das Schriftwort
sagen will. Dass du weder träge seist noch schläfrig, sondern nüchtern
und wachsam und Hüter deiner selbst.
Hütet euch vor leeren Träumereien
Hütet euch vor leeren Träumereien
5. Der
Tag würde mir nicht reichen, wollte ich all die Tätigkeiten der
Mitarbeiter des Evangeliums Christi aufzählen und darlegen, welche
Bedeutung das Gebot für alle hat und wie es auf sie angewendet wird.
„Achte auf dich selbst.“
Sei nüchtern und besonnen, wachsam in bezug auf das Gegenwärtige,
vorsorgend für das Künftige. Laß dir nicht durch Faulheit das bereits
Erlangte entgleiten und wähne nicht als gegeben, so als hättest du es schon in Händen, was nicht ist und vielleicht nie sein wird.
Oder
ist es etwa nicht ein natürliches Gebrechen der Jungen, auf Grund der
Oberflächlichkeit ihres Urteils das Erwünschte für bereits in ihrem
Besitz befindlich zu halten? Denn wenn sie irgendwann einmal zur Ruhe
kommen, oder während der Stille der Nacht, stellen sie sich
nichtvorhandene Dinge vor und schweifen mit der Leichtigkeit des Denkens
überall herum. Sie malen sich ein glorreiches Dasein aus, brillante
Hochzeit, Kindersegen, hohes Alter, Ansehen bei allen. Und da sie mit
ihren Wünschen nirgendwo Halt zu machen vermögen, überheben sie sich zu
Träumereien von dem, was unter den Menschen am höchsten gilt. Sie bauen
sich schöne und große Residenzen, und nachdem sie sie angefüllt haben
mit Schätzen von überallher, umgeben sie sie mit soviel Land, wie es der
Eitelkeit ihrer Gedanken von der ganzen Schöpfung abzutrennen beliebt.
Danach schließen sie die reichen Ernten hiervon in die Scheunen der
Eitelkeit ein. Zu diesen fügen sie Herden und Sklaven in übergroßer
Zahl, politische Macht, Hegemonie über Völkerschaften, Oberbefehl über
Heere, Kriege, Trophäen, das Königtum selbst. Und indem sie alle diese
leeren Phantasiegebilde ihres Denkens durchwandern, vermeinen sie in
ihrer übermäßigen Torheit, das Erwünschte als etwas bereits Vorhandenes
und ihnen zu Füssen Liegendes zu genießen.
Wachträume
dieser Art zu sehen ist eine besondere Krankheit der untätigen und
trägen Seele. Um diese Erschlaffung des Verstands und das Fieber der
Gedanken zu heilen und dem unsteten Umherschweifen des Denkens
gleichsam Zügel anzulegen, verschreibt die Heilige Schrift jenes große
und weise Gebot: „Achte auf dich selbst.“ Stell dir nicht vor, was nicht vorhanden ist, sondern nutze das Vorhandene zu deinem Heil.
Nicht auf fremde Angelegenheiten,
sondern auf deine eigenen achte
Außerdem, so glaube ich, hat der Gesetzgeber dieses Gebot auch dazu erlassen, dass es ein weiteres verbreitetes Laster ausmerze. Jeder von uns neigt nämlich leicht dazu, sich mit fremden Angelegenheiten zu beschäftigen, statt auf die eigenen zu achten. Damit uns nicht solches widerfahre, so sagt die Schrift, hör auf, neugierig in den Übeln von anderen herumzustochern. Laß deinen Gedanken keine Muße, die fremde Krankheit zu untersuchen, sondern „auf dich selbst achte“, das heißt, richte den Blick der Seele auf die Erforschung deiner selbst.
Nicht auf fremde Angelegenheiten,
sondern auf deine eigenen achte
Außerdem, so glaube ich, hat der Gesetzgeber dieses Gebot auch dazu erlassen, dass es ein weiteres verbreitetes Laster ausmerze. Jeder von uns neigt nämlich leicht dazu, sich mit fremden Angelegenheiten zu beschäftigen, statt auf die eigenen zu achten. Damit uns nicht solches widerfahre, so sagt die Schrift, hör auf, neugierig in den Übeln von anderen herumzustochern. Laß deinen Gedanken keine Muße, die fremde Krankheit zu untersuchen, sondern „auf dich selbst achte“, das heißt, richte den Blick der Seele auf die Erforschung deiner selbst.
Denn viele sehen zwar, wie der Herr sagt, „den Splitter im Auge des Bruders, den Balken im eigenen“
aber sehen sie nicht (s. Mt 7,3). Deshalb hör nicht auf, dich selbst zu
prüfen, ob dein eigenes Leben dem Gebot gemäß sei. Beschränke dich aber
hierbei nicht auf das Äußere, damit dir diese Prüfung nicht zum Vorwand
werde für Tadel an anderen, wie es bei jenem ungesunden und arroganten
Pharisäer geschah, der dastand und sich selbst rechtfertigte, den
Zöllner aber verächtlich machte (s. Lk 18,10ff). Unterlasse nicht, dich
selbst zu erforschen, ob du nicht etwa gesündigt hast in deinen
Gedanken, ob nicht etwa deine Zunge ausgerutscht ist, indem sie der
Überlegung vorauseilte, ob du nicht mit dem Werk deiner Hände etwas
Unbesonnenes getan hast.
Und
findest du in deinem Leben viele Verfehlungen – und du wirst viele
finden, bist du doch ein Mensch –, dann sag, was der Zöllner sagte: „O
Gott, erbarme Dich über mich Sünder“ (Lk 18,13).
Achte auf dich selbst im Glück wie im Unglück
Achte auf dich selbst“. Dieses Wort wird dir immerdar ein nützlicher Beistand sein, ein guter Ratgeber, der dir das Menschliche in Erinnerung ruft, sowohl zu Zeiten prächtigen Wohlergehens als auch dann, wenn das ganze Leben wider den Strom läuft. Und bist du versucht durch die Umstände, dann ist es von Vorteil, dasselbe dem Herzen oftmals vorzuhalten, damit es sich weder aus Dünkel überhebe zu übermäßiger Arroganz, noch durch Verzweiflung in unedle Mutlosigkeit versinke.
Achte auf dich selbst im Glück wie im Unglück
Achte auf dich selbst“. Dieses Wort wird dir immerdar ein nützlicher Beistand sein, ein guter Ratgeber, der dir das Menschliche in Erinnerung ruft, sowohl zu Zeiten prächtigen Wohlergehens als auch dann, wenn das ganze Leben wider den Strom läuft. Und bist du versucht durch die Umstände, dann ist es von Vorteil, dasselbe dem Herzen oftmals vorzuhalten, damit es sich weder aus Dünkel überhebe zu übermäßiger Arroganz, noch durch Verzweiflung in unedle Mutlosigkeit versinke.
Prunkst
du mit Reichtum? Hältst du dich für groß deiner Vorfahren wegen?
Brüstest du dich wegen deiner Heimat, wegen der Schönheit deines
Körpers, wegen der allgemeinen Anerkennung? „Achte auf dich selbst“, denn du bist sterblich. „Denn Erde bist du, und in die Erde wirst du zurückkehren“ (Gen
3,19). Sieh dich um nach denen, die vor dir zu ähnlicher Berühmtheit
gelangten. Wo sind sie, die glänzten in politischen Machtpositionen? Wo
die unbesiegbaren Rhetoren? Wo die Veranstalter der großen Feste? Die
berühmten Pferdezüch-ter, die Heerführer, die Satrapen, die Tyrannen?
Sind sie nicht alle zu Staub zerfallen? Sind sie nicht bloß noch
Legende? Sind nicht ein paar Knochen das einzige, was übriggeblieben
ist von ihrem Leben? Beug dich hinein in die Gräber und sieh, ob du den
Sklaven vom Meister unterscheiden kannst, den Armen vom Reichen!
Unterscheide, wenn du kannst, den König vom Gefangenen, den Mächtigen
vom Schwachen, den Schönen vom Häßlichen!
Wenn
du mithin deiner Natur gedenkst, wirst du dich niemals hinreißen lassen
zur Überheblichkeit. Und du wirst ihrer gedenken, wenn du achtest auf
dich selbst.
6. Und wiederum, bist du von geringer Herkunft und ruhmlos, ein Armer abstammend von Armen, obdachlos, heimatlos, schwach, des alltäglichen Bedarfs entbehrend, zitternd vor den Mächtigen, dich duckend vor allen auf Grund der Niedrigkeit deines Stands? „Der Arme aber wird nicht bedroht“, sagt die Schrift (Spr 13,8). Verzweifle nicht mithin, gib nicht jede gute Hoffnung auf, weil du nichts hast in diesem gegenwärtigen Leben, worum dich einer beneiden könnte. Sondern erhebe deine Seele zu den Gütern, die Gott dir bereits gewährt hat, sowie zu denen, die gemäß der Verheißung für später hinterlegt sind.
6. Und wiederum, bist du von geringer Herkunft und ruhmlos, ein Armer abstammend von Armen, obdachlos, heimatlos, schwach, des alltäglichen Bedarfs entbehrend, zitternd vor den Mächtigen, dich duckend vor allen auf Grund der Niedrigkeit deines Stands? „Der Arme aber wird nicht bedroht“, sagt die Schrift (Spr 13,8). Verzweifle nicht mithin, gib nicht jede gute Hoffnung auf, weil du nichts hast in diesem gegenwärtigen Leben, worum dich einer beneiden könnte. Sondern erhebe deine Seele zu den Gütern, die Gott dir bereits gewährt hat, sowie zu denen, die gemäß der Verheißung für später hinterlegt sind.
Zuallererst:
Du bist ein Mensch, das einzige Lebewesen, das Gott Selbst geformt hat
(s. Gen 2,7). Ist nicht das an sich schon genug - so du vernünftig
denkst -, um dich zur höchsten Freude zu bewegen, dass du geformt worden
bist von den eigenen Händen Gottes, Der alles erschaffen hat? Sodann,
dass du, der du nach dem Bilde Gottes erschaffen bist, die Möglichkeit
hast, durch rechte Lebensführung aufzusteigen zur Ehrengleichheit mit
den Engeln? Du hast eine geistige Seele empfangen, durch die du Gott
erkennen, kraft des Denkens die Natur der seienden Dinge schauen und die
süße Frucht der Weisheit pflücken kannst. Alle Tiere des Festlandes,
die wilden wie die zahmen, alle der im Wasser lebenden und alle der die
Lüfte durchfliegenden stehen dir zu Diensten und sind dir untertan. Und
weiter, hast du nicht Künste erfunden, Städte gegründet und alles
erdacht, was nötig ist zum Leben und alles, was ein Dasein in Üppigkeit
ermöglicht? Stehen dir nicht dank der Intelligenz die Ozeane offen?
Dienen nicht Land und Meer deinem Lebensunterhalt? Zeigen dir nicht Wind
und Himmel und die Bewegungen der Sterne ihre Ordnung?
Was
also bist du niedergeschlagen, weil du kein Pferd mit silbernem Zaum
besitzt? Stattdessen hast du die Sonne, die dir den ganzen Tag lang in
schnellem Lauf die Fackel voranträgt. Du hast zwar nicht den Glanz von
Gold und Silber, doch du hast den Mond, der dich umleuchtet mit seinem
reichen Licht. Du fährst nicht einher in vergoldeten Kutschen, doch du
hast Füße als dein eigenes, dir angeborenes Fahrzeug. Was also preist du
diejenigen selig, die zwar einen vollen Beutel haben, aber fremde Füße
brauchen, um sich von einem Ort zum anderen zu begeben? Du ruhst zwar
nicht auf einem Bett aus Elfenbein, doch du hast die Erde zum Lager, die
ehrwürdiger ist als viel Elfenbein, und süß ist der Schlaf auf ihr,
rasch herbeigeholt und frei von Sorgen. Du legst dich zwar nicht nieder
unter einer goldverzierten Kammerdecke, doch den Himmel hast du als
Dach, funkelnd von der unbeschreiblichen Schönheit der Sterne.
Was
ich bisher aufgezählt habe, gehört zum Menschlichen, doch das Weitere
ist von höherer Art. Für dich kam Gott zu den Menschen. Für dich wurde
der Heilige Geist ausgegossen, der Tod abgeschafft, die Hoffnung der
Auferstehung gegeben. Für dich wurden die göttlichen Satzungen erlassen,
die dein Leben vollkommen machen, der Weg zu Gott gewiesen durch die
Gebote. Dir ist die Erhabenheit des Reichs der Himmel bestimmt, die
Kränze der Gerechtigkeit, die bereitliegen für jene, die nicht
zurückweichen vor den Mühen um die Tugend.
7. Wenn du auf dich selbst achtest, wirst du all das finden, und vieles mehr dazu. Und indem du dich dessen erfreust, was du bereits hast, wirst du nicht verzagen wegen dem, was dir fehlt. Indem dir das Gebot überall vor Augen steht, wird es dir von großer Hilfe sein.
7. Wenn du auf dich selbst achtest, wirst du all das finden, und vieles mehr dazu. Und indem du dich dessen erfreust, was du bereits hast, wirst du nicht verzagen wegen dem, was dir fehlt. Indem dir das Gebot überall vor Augen steht, wird es dir von großer Hilfe sein.
Zum
Beispiel: Hat Zorn Besitz ergriffen von deinen Gedanken und will die
Wut dich verleiten zu unziemlichen Worten und bösen und tierischen
Taten? Wenn du jetzt auf dich selbst achtest, wirst du deine Wut
zurückhalten wie ein ungestümes und widerspenstiges Füllen, indem du den
Schlag der Vernunft auf sie niedersausen läßt wie eine Peitsche. Dann
wirst du deine Zunge hüten und nicht Hand legen an den, der dich
erzürnte.
Oder
angenommen, böse Begierden wollen deine Seele zum Rasen bringen und sie
zur Zügellosigkeit und Ausschweifung treiben. Wenn du jetzt auf dich
selbst achtest und bedenkst, dass der momentane Genuß für dich bittere
Folgen nach sich zieht, dass der vorübergehende Kitzel der Fleischeslust
den giftigen Wurm hervorbringt, der uns ewiglich peinigen wird in der
Hölle, und dass die Hitze des Fleisches das ewige Feuer gebiert, so wird
die Lüsternheit sogleich verschwinden und eine wunderbare innere Ruhe
und Stille wird sich verbreiten in der Seele, gleichsam so, wie das
Geschrei zügelloser Dienerinnen zum Schweigen gebracht wird durch das
Erscheinen der besonnenen Hausherrin.
Achte
mithin auf dich selbst und wisse, dass der vernünftige Teil der
Seele[3] zugleich auch der geistige ist, der den Leidenschaften
zugängliche Teil[4] dagegen zugleich auch der vernunftlose. Dem
vernünftigen Teil ist die Enthaltsamkeit von Natur aus zu eigen, während
der den Leidenschaften zugängliche und vernunftlose Teil hierzu des
Gehorsams gegenüber der Vernunft und der Überzeugung durch diese bedarf.
Laß mithin niemals zu, dass der Geist[5] übermannt und zum Sklaven der
Leidenschaften wird, noch auch sollst du je erlauben, dass die
Leidenschaften sich erheben wider die Vernunft und die Herrschaft über
die Seele an sich reißen.
Selbsterkenntnis der Weg zur Gotteserkenntnis
Selbsterkenntnis der Weg zur Gotteserkenntnis
Ueberhaupt
wird das genaue Beobachten und Erkennen deiner Selbst dir eine sichere
Führung verschaffen zur Erkenntnis Gottes. Denn wenn du auf dich selbst
achtest, wirst du es nicht nötig haben, den Schöpfer anhand der Struktur
der gesamten Schöpfung aufzuspüren, sondern in dir selbst, wie in einer
Schöpfung im Kleinen gewissermaßen, wirst du die große Weisheit deines
Schöpfers schauen.
An
der Körperlosigkeit der in dir wesenden Seele erkenne die
Körperlosigkeit Gottes, Seine Nichtbegrenzbarkeit auf einen Ort. Denn
auch dein Geist[6] hat nicht von vornherein einen Aufenthaltsort,
sondern weil er mit dem Körper verbunden ist, erwirbt er Örtlichkeit.
Glaube,
dass Gott unsichtbar ist, indem du deine eigene Seele erkennst, die
ebenfalls unwahrnehmbar ist für leibliche Augen. Sie hat weder Farbe
noch Gestalt noch irgendein anderes körperliches Merkmal, sondern an
ihren Energien [Wirkungen] allein ist sie erkennbar. Deshalb suche auch
in bezug auf Gott nicht Erkenntnis zu erlangen vermittels der Augen,
sondern indem du den Glauben hinwendest zum Geist, erwirb geistige
Erkenntnis in bezug auf Ihn.
Bewundere
den Künstler, wie Er die Kraft deiner Seele mit dem Körper verbunden
hat, sodass sie diesen zur Gänze durchdringt und selbst seine am
weitesten auseinanderliegenden Glieder zusammenführt zu einem einzigen
einmütigen und zusammenwirkenden Ganzen.
Beobachte,
welche Kraft die Seele dem Körper vermittelt und wie im Gegenzug der
Körper die Seele in Mitleidenschaft zieht, wie einerseits der Körper
von der Seele das Leben empfängt und andrerseits die Seele vom Körper
Schmerzen.[7]
Gewahre,
welche Speicher die Seele besitzt für das Gelernte, und wie es
geschieht, dass älteres Wissen nicht verdunkelt wird von neu
hinzugekommenem, sondern dass die Erinnerung daran vielmehr klar
erkenntlich und unvermischt erhalten bleibt, als wäre sie eingeritzt auf
eine kupferne Säule im lenkenden Geist der Seele.
Erkenne
auch, wie die Seele, indem sie abgleitet in die Leidenschaften des
Fleisches, ihre eigene Schönheit verliert, und wiederum wie sie, wenn
sie gereinigt wird von der Häßlichkeit der Sünde, durch die Tugend sich
aufschwingt zur Ebenbildlichkeit mit dem Schöpfer.
Das Meisterwerk des menschlichen Körpers
8. Achte, wenn du willst, nach der Betrachtung der Seele auch auf den Bau des Körpers und bewundere, zu welch vortrefflicher Wohnstatt der vernunftbegabten Seele der Höchste Künstler denselben gestaltet hat.
Das Meisterwerk des menschlichen Körpers
8. Achte, wenn du willst, nach der Betrachtung der Seele auch auf den Bau des Körpers und bewundere, zu welch vortrefflicher Wohnstatt der vernunftbegabten Seele der Höchste Künstler denselben gestaltet hat.
Von
allen Lebewesen hat Er nur dem Menschen den aufrechten Stand gewährt,
damit du an dieser deiner Gestalt erkennen möchtest, dass dein Leben aus
der Verwandtschaft mit dem Himmlischen stammt. Denn die Vierfüßer
schauen immerdar zur Erde und sind dem Bauch zugeneigt, der Mensch aber
ist bestimmt, seinen Blick zum Himmel zu erheben, damit er sich nicht
mit dem Bauch beschäftige, noch auch mit den Leidenschaften unterhalb
des Bauches, sondern sein ganzes Verlangen ausrichte auf den Aufstieg
zum Höheren.
Nachdem
der Schöpfer den Kopf an die höchste Stelle gesetzt hatte, siedelte Er
in diesem die wertvollsten der Sinne an. Dort sind die Sehkraft, das
Gehör, der Geschmacksinn und der Geruchsinn, alle dicht beieinander. Und
obwohl sie auf so kleinem Raum zusammengedrängt sind, stört keiner die
Tätigkeit des anderen.
Die
Augen nehmen freilich die höchste Warte ein, sodass sich ihnen kein
anderer Körperteil in den Weg stellen kann und sie, unterhalb des
kleinen Vorsprungs der Augenbrauen gelegen, von ihrer Höhe aus
unbehindert geradeaus schauen.
Das
Hörorgan wiederum ist nicht unmittelbar offen, sondern nimmt die
Geräusche der Umgebung auf vermittels eines spiralförmigen Kanals, Auch
dies ist ein Werk der höchsten Weisheit, erlaubt es doch, dass der
Schall ungehindert eindringen oder besser gesagt hereinklingen kann,
indem er sich fortpflanzt durch die Windungen des Gehörgangs, ohne dass
irgendein von außen einfallendes Ding das Sinnesorgan beeinträchtigen
könnte.
Erwirb
dir auch genaue Kenntnis der Natur der Zunge, merk dir, wie weich und
geschmeidig sie ist und mit ihrer vielseitigen Beweglichkeit jedem
Bedürfnis des sprachlichen Ausdrucks Genüge tut.
Die
Zähne für ihren Teil sind zugleich Werkzeuge des sprachlichen
Ausdrucks, indem sie der Zunge eine feste Stütze bieten, und Diener der
Ernährung, wobei die einen die Aufgabe haben, zu schneiden, die anderen
aber, zu zermalmen.
Und
indem du solcherart alles mit dem gebührenden Gedanken betrachtest und
genau erforschst - das Einsaugen der Luft durch die Lunge, das Bewahren
der Wärme im Herzen, die Verdauungsorgane, die Blutgefässe –, wirst du
aus alledem die unergründliche Weisheit des Schöpfers erkennen, sodass
auch du mit dem Propheten sagen kannst: „Wunderbar ist das Wissen von Dir, das ich aus mir schöpfe“ (Ps 138,6).
Achte
mithin auf dich selbst, damit du auf Gott achten möchtest, Dem die
Herrlichkeit gehört und die Herrschaft in die Ewen der Ewen. Amen.
Quelle: www.prodromos-verlag.de
[1] Griech. Urtext unter dem Titel Ὁμιλία εἰς τὸ «Πρόσεχε σεαυτῷ» in EPE BasMeg Bd. 6. Das Datum dieser
Homilie des hl. Basilios, Erzbischof von Cäsarea in Kappadokien (s. Das Synaxarion am 1. Januar), ist nicht bekannt. Dt. Übers., unter Berücksichtigung der englischen Fassung in St. Basil, Ascetical Works (Reihe „The Fathers of the Church“ Bd. 9, Catholic University of America Press, Washington DC, 4. Aufl. 1999), vom Kloster des Hl. Johannes des Vorläufers, Chania 2011.
[2] Auf Griechisch heißt das Reh «δορκάς», von «δέρκομαι» (sehen, erblicken) und «οξυδέρκεια» (Scharfsichtig-keit).
[3] Griech. το λογικόν.
[4] Griech. το παθητικόν.
[5] Griech. νοῦς
[6] Griech. νοῦς
[7] Wie es in der Hymnographie der Kirche heißt: „Krankt mein Leib, krankt auch meine Seele“
Quelle: www.prodromos-verlag.de
[1] Griech. Urtext unter dem Titel Ὁμιλία εἰς τὸ «Πρόσεχε σεαυτῷ» in EPE BasMeg Bd. 6. Das Datum dieser
Homilie des hl. Basilios, Erzbischof von Cäsarea in Kappadokien (s. Das Synaxarion am 1. Januar), ist nicht bekannt. Dt. Übers., unter Berücksichtigung der englischen Fassung in St. Basil, Ascetical Works (Reihe „The Fathers of the Church“ Bd. 9, Catholic University of America Press, Washington DC, 4. Aufl. 1999), vom Kloster des Hl. Johannes des Vorläufers, Chania 2011.
[2] Auf Griechisch heißt das Reh «δορκάς», von «δέρκομαι» (sehen, erblicken) und «οξυδέρκεια» (Scharfsichtig-keit).
[3] Griech. το λογικόν.
[4] Griech. το παθητικόν.
[5] Griech. νοῦς
[6] Griech. νοῦς
[7] Wie es in der Hymnographie der Kirche heißt: „Krankt mein Leib, krankt auch meine Seele“
http://www.impantokratoros.gr/achte-auf-dich-selbst.de.aspx
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